Stück

Jacke wie Hose

Monolog von Karge Manfred

Sprache Deutsch, Hochsprache
Eignung Erwachsene
Charakter ernst/satirisch
Besetzung 1 gesamt / 1 weiblich
Darstellungsort Stilbühne
Thema Leben
Spieldauer 60 min
Verlag henschel SCHAUSPIEL
Inhaltsangabe Ein Podest aus hellem Holz. Eine Bodenklappe, ein weißer Stuhl, zwei Lichtwechsel. Ein paar Flaschen, eine Waschschüssel, eine Puppe. Mehr braucht diese Inszenierung nicht. Denn sie hat Swetlana Schönfeld, und Swetlana Schönfeld hat einen Text, den sie wirken lässt, als sei er für sie geschrieben. Schönfeld, die bis 1993 für zwanzig Jahre zum Ensemble des Maxim-Gorki-Theater gehörte, danach für sechs Jahre an der Schaubühne war, am Deutschen Theater gastierte, bei den Salzburger Festspielen mit Andrea Breth und Robert Wilson arbeitete, daneben immer auch Film spielte und einmal mit dem silbernen Deutschen Filmpreis ausgezeichnet wurde, diese Schauspielerin kennzeichnet etwas, das nur wenigen gegeben ist: Sie kann doppeltönig sprechen. Jede Silbe klingt, als wäre sie aus einem hohen, schwebenden, immer leicht verträumten und aus einem geerdeten, trockenen, tief gelagerten Ton gemacht. Es klingt, als stritten zwei Stimmen miteinander. Und weil Schönfeld diesen Stimmenstreit zudem mit einer listig doppeldeutigen Spielweise anzureichern vermag, entreißt sie ihre Figuren der Plattheit. Wenn sie an diesem Abend also "So was kommt von so was" sagt und diese Worte mit der einen Hand wegwischt, während die andere sie hochzuheben scheint, meint man eine erstaunte Frage und einen trotzigen Ausruf gleichzeitig zu hören. Wie passend. Denn "So was kommt von so was" ist das Leitmotiv in dem Solostück "Jacke wie Hose" von Manfred Karge. Anfang der 80er Jahre hat er es für seine damalige Lebensgefährtin Lore Brunner schrieb, in Bochum wurde es 1982 uraufgeführt, von John Maybury unter dem Titel "Man to Man" 1991 mit Tilda Swinton verfilmt; nun hat Karge selbst den Text mit oder besser: für Schönfeld inszeniert. In "Jacke wie Hose" macht man die Bekanntschaft mit Ella Gericke, die in der Wirtschaftskrise der Weimarer Republik ihren Mann Max verliert, in seine Hosen und seine Identität steigt, um seinen Arbeitsplatz als Kranfahrer zu übernehmen. Es ist die nackte Not, die sie zum Rollenwechsel zwingt - und in neue Nöte führt. Im Krieg wird sie zum SA-Mann, um der Musterung für die Front zu entgehen. Sie wird aber auch zur Widerständlerin, indem sie einer Kommunistin auf der Flucht ihren Ella-Pass gibt: Das alles kommt bei Karge "von so was". Und weil Ella bzw. Max weder Held noch Schurke ist, sondern "mehr so dazwischen" zu Hause ist, gibt diese Figur auch ein ehrliches Abbild der deutschen Geschichte aus Sicht des durchschnittlichen Mitläufers ab. Ella-Max erlebt den Krieg, den Aufbau eines ostdeutschen Sozialismus, die westdeutsche Bauernschaft im Emsland: Immer ist sie Beteiligte und Beobachterin zugleich. Immer ist ihr das nächste Bier, der dazugehörige Schnaps, die nächste beste Überlebenschance näher als jede hochtönende Moral. Für seine Inszenierung auf der Probebühne des BE hat Karge den Text jetzt bis in die Gegenwart fortgeschrieben: "Die Mauer fiel und ich aus allen Wolken". In wolkiger Höhe hat diese Figur freilich nie gelebt - sie ist in allem verstrickt in die schmutzigen Geschäfte der Geschichte. Karge hat, wie es im Untertitel heißt, ein "deutsches Märchen" über deutsche Realgeschichte geschrieben. Swetlana Schönfeld spielt es als Komödie mit Tragödienunterbau. In Mantel, Weste, Hosen steht sie zu Beginn auf der Bühne, lackiert sich später die Fingernägel, trinkt viel, steckt die Füße in eine Schüssel, holt eine Puppe aus der Bodenklappe und schicke Stöckelschuhe aus einer Lafayette-Tasche, singt zwischendurch gern und lässt ihre Figur immer auf der Kante zwischen Ella und Max kippeln. Dem Text würden gewiss auch ein paar mutigere Regiezugriffe gut stehen. Ein bisschen mehr Formwille, ein bisschen mehr Gestaltungskraft